Interessante Chronologiehinweise zu unterschiedlichen mittelalterlichen Handschriften, gefunden auf der Internetseite eines Schweizer Faksimileverlags.

 

http://www.faksimile.ch

 

 

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Die Blätter im Louvre

und das verlorene Turiner Gebetbuch

 

 

Auch dieser dritte Teil des Riesenprojektes des Herzogs von Berry hat eine äußerst bewegte Geschichte. Er gelangte vom Haus Savoyen 1720 in die Turiner Bibliothek. Die vier Blätter, die sich heute im Louvre befinden, waren zu dieser Zeit bereits aus dem Codex entfernt worden, vermutlich wegen ihrer besonders prachtvollen Ausführung. Wann es genau zum Diebstahl kam, ist völlig unbekannt. Nach dem Tode ihres Gemahls, des Herzogs, verließ Renée 1560 Ferrara wieder, um sich auf Schloß Montargis in Frankreich zurückzuziehen. Aus noch heute unbekannten Gründen mußte sie ihr kleines Gebetbuch jedoch in Italien zurücklassen. Es blieb noch bis in die ersten Jahre des 18. Jahrhunderts in der Bibliothek der Este.

 

Das Blumengebetbuch der Renée de France

 

 

Mysteriöse Geschichte einer Handschrift

Zu diesem Zeitpunkt verschwand die Handschrift auf geheimnisvolle und ungeklärte Weise, um erst 1780 unter mysteriösen Umständen wieder aufzutauchen, als sie der Bibliothekar Tiraboschi wieder in die herzogliche Bibliothek eingliederte, ohne jedoch nähere Angaben über ihre Herkunft zu machen. Die Handschrift blieb darauf in der Bibliothek bis 1994 sicher verwahrt. In diesem Jahr durfte die Abtei von Montecassino das Gebetbuch ausstellen. Dabei wurde die Handschrift jedoch gestohlen und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.

 

Das Brüsseler Stundenbuch

Geheimnisvolles Juwel des Herzogs von Berry

 

 

Eine Handschrift voller Hinweise auf den Herzog von Berry

 

Auch wenn so manches Geheimnis um die Entstehung des Brüsseler Stundenbuches bestehen bleibt, so gibt es doch deutliche Indizien dafür, daß es sich dabei um eine Auftragsarbeit des Herzogs von Berry gehandelt haben muß. Denn überall in den Bordüren dieser Bilderhandschrift finden wir die herzoglichen Wappen, seine Embleme wie etwa den Bären sowie das Monogramm VE aus seiner Devise.

Geheimnisvolles Dunkel um die Entstehung

Einer der Höhepunkte im Brüsseler Stundenbuch ist zweifellos die Demigrisaille-Doppelseite. Die Anfänge der Grisaille-Technik in der Buchmalerei sind um das 14. Jahrhundert in Frankreich anzusetzen. In den Pariser Prachthandschriften des 14. Jahrhunderts wurde sie zur Mode, wobei die Maler mit den Nuancen der Farbe Grau modellierten. Das monochrome Grau sollte an den Stein einer Statue erinnern und ein kunstvolles Spiel mit Volumen und Licht erlauben.

 

Das Buchaltärchen Philipps des Guten

Ein Unikum in der Kunstgeschichte

 

                 

 

Ein Zeugnis fürstlicher Frömmigkeit

Die Fürsten des Spätmittelalters, die nominell über zwei oder mehrere Residenzen verfügten, hielten sich keineswegs immer in ihnen auf. Die reguläre Ausübung des Herrscheramtes machte einen permanenten Wechsel des Aufenthaltsortes erforderlich. Der Fürst mußte möglichst überall in regelmäßigen Abständen Präsenz zeigen. Für die burgundischen Herzöge erwies sich diese prinzipielle Mobilität in besonderem Maße als wichtig, da ihr Reich noch jung und die Herrschaft nicht überall gefestigt war. Allerdings war das in diesem Fall auch eine besonders anstrengende Aufgabe, denn das burgundische Reich war geographisch zersplittert; außerdem mußte der Herrscher oft durch fremdes, vor allem französisches Gebiet reisen, um gewisse Teile seines Reiches zu erreichen. Natürlich durfte auf allen diesen Reisen nicht auf das Gebet verzichtet werden. Tag für Tag, jahraus, jahrein verrichtete Philipp der Gute auf seinen Reisen seine Andachten vor diesem wunderbaren Unikat. Die Auswahl besticht weniger durch ihren Umfang als vielmehr durch ihre Beziehung zum Herzog. Somit wird in diesem Werk ein spätmittelalterlicher Fürst, den wir sonst nur aus Geschichtsbüchern kennen, in seiner Persönlichkeit lebendig und greifbar.

Für alle Miniaturen dieses einmaligen Kunstwerks gilt gleichermaßen, daß kein Meister bekannt ist, dem man sie zuordnen könnte.

 

Der Codex Guta-Sintram

Eine Kostbarkeit romanischer Buchkunst

 

 

Auch die Tatsache, daß Schreiber, Illustrator sowie Entstehungszeit bekannt sind, trägt zur Sonderstellung dieser einzigartigen Handschrift bei.

Ein ungewöhnliches Teamwork

Der Codex Guta-Sintram ist das gemeinsame Werk der Augustiner-Chorfrau Guta von Schwarzenthann und des Augustiner-Chorherrn Sintram von Marbach in der Nähe von Schwarzenthann. Die schöne Schrift stammt aus der Hand der Guta, während Sintram den wundervollen Buchschmuck mit ganzseitigen Bildern und zahllosen großen und kleinen Initialen ausführte. Gemeinsam vollendeten die beiden 1154 das prächtige Werk und weihten es der Jungfrau Maria. Das Kloster Marbach im Oberelsaß wurde 1089 durch Manegold von Lauterbach gegründet, der dort die Augustiner-Chorherren ansässig machte. Dieses berühmte Kloster war danach Ausgangspunkt und Zentrum vieler bedeutender Neugründungen am Oberrhein, in Süddeutschland und in der Schweiz.

 

Das Buch der Drôlerien (Croy-Gebetbuch)

Fabelhafte Welt in Miniaturen

 

 

Faszinierende Geschichte

Auftraggeber für dieses herrliche Werk war vermutlich eine Dame des burgundisch-habsburgischen Hofes. Aufgrund der Namenseintragung von Guillaume de Croy auf einer Seite nennt man es das Croy­Gebetbuch. Croy und seine Familie erlangten unter dem Herzog Johann Ohnefurcht und dessen Sohn Phillip dem Guten von Burgund führende Stellungen. Sie gehörten somit zu den mächtigsten und reichsten Familien Burgunds. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erwarb Prinz Eugen von Savoyen die wertvolle Bilderhandschrift für seine Bibliothek, die damals eine der größten der Welt war. 1738 schließlich konnte Kaiser Karl VI. diese Bibliothek von der Nichte Prinz Eugens erwerben.

Geheimnisvolle Entstehung

Die Miniaturen des Croy-Gebetbuches sind Werke der beiden großen Meister der Gent-Brügger Schule, Gerard Horenbout ­ er zeichnet für die Abschnitte Kreuzigung und Pfingsten verantwortlich ­ und Simon Bening für alle übrigen ganzseitigen Bilder. Auch der berühmte Tafelmaler Gerard David war zumindest als Ratgeber am Werk beteiligt. Die Handschrift ist aber noch von einigen Geheimnissen umwölkt. So konnte die Forschung bis heute keine genaue Zuordnung der Miniaturen zum Kalender vornehmen, denn vor allem die expressiven Gesichter stehen isoliert in der Gent-Brügger Schule. Das Werk ist nicht in einer Werkstatt entstanden; die beiden Meister haben die Miniaturseiten gemalt, das eigentliche Buch wurde in einem eigenen Arbeitsgang gefertigt. Trotz oder wegen dieses vielfältigen und komplizierten Arbeitsprozesses stellt das prächtig ausgearbeitete Stundenbuch ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk dar.

 

 

Das Glockendon-Gebetbuch

Ein deutsches Andachtsbuch für Albrecht von Brandenburg

 

 

Eine abenteuerliche Geschichte

Was nach dem Tode Albrechts von Brandenburg mit dem Gebetbuch geschah, ist nicht bekannt. Nur durch einige Besitzereinträge in der Handschrift selbst können wir einige Schlüsse auf ihre Geschichte ziehen. So geht aus einer Eintragung aus dem 18. Jahrhundert hervor, daß zu dieser Zeit die Handschrift im Besitz eines Grafen Csobor war. Diese Familie war eine der vornehmsten Ungarns. Ein Mitglied kämpfte auch im Dreißigjährigen Krieg, aus dem er die Handschrift, vermutlich als Kriegsbeute, mitbrachte.

 

Les Belles Heures du Duc de Berry

Das Meisterwerk der Brüder Limburg

Die märchenhafte Bibliothek des Herzogs von Berry

 

Les Belles Heures du Duc de Berry

 

Bis heute ist Herzog Jean de Berry lebendig als Kunstliebhaber und Bibliophile, als Sammler und Auftraggeber von außergewöhnlichen Kunstschätzen und kostbaren Bilderhandschriften. Schon seine Zeitgenossen waren tief beeindruckt von der luxuriösen Ausstattung der meisten Werke seiner berühmten Bibliothek.
Unermüdlich bereicherte Jean de Berry seinen Bücherschatz: Er vergab Aufträge an die führenden Buchmaler seiner Zeit, erwarb die kostbaren Manuskripte gelegentlich im Buchhandel oder ließ sie sich von Verwandten oder Freunden schenken.
Am Ende seines Lebens konnte der Herzog von Berry eine geradezu märchenhafte Bibliothek mit immerhin annähernd 300 Handschriften sein eigen nennen. Doch es ist nicht nur die Vielzahl, die noch heute beeindruckt, sondern vor allem die herausragende Qualität der Buchkunst.

Die einmalige Arbeitsweise bei den Belles Heures

Die große Passion des Herzogs von Berry für die Brüder Limburg zeigt sich gerade in der beispiellosen Herstellungsweise der Belles Heures. Auf Wunsch des begeisterten Auftraggebers mußten die drei Maler nach Beendigung der Arbeiten an der Handschrift noch fünf weitere Bilderzyklen für die Belles Heures ausführen.

 

Das Stundenbuch des Herzogs von Berry

Les Petites Heures

Eine königliche Bilderhandschrift

 

 

Generationenübergreifendes Meisterwerk

Um 1372 gab der Herzog von Berry die Petites Heures in Auftrag. Schließlich sollten insgesamt fünf Buchmaler an ihrer Ausgestaltung beteiligt sein. Die Zusammenarbeit zwischen Künstlern war damals nichts Außergewöhnliches; aber diese fünf Buchmaler erreichten ein Ergebnis, wie man es kaum in einer Bilderhandschrift jener Zeit sieht.

 

Das Schwarze Stundenbuch

Eine strahlende Kostbarkeit in Schwarz und Silber, Gold und Blau

 

 

Das Schwarze Stundenbuch M. 493, das heute in der Pierpont Morgan Library, New York gehütet wird, ist um 1475 in Brügge entstanden, vermutlich im Umkreis von Willem Vrelant, dem zu dieser Zeit führenden Buchmaler der Stadt.

Aufwendige Herstellung

Die Herstellung einer Handschrift auf schwarzem Pergament war äußerst aufwendig und kostspielig. Zuerst wurde das Pergament in eine Eisen-Kupfer-Lösung eingetaucht, um die schwarze Färbung zu erhalten. Danach wurde es bemalt. Das Bad in schwarzer Farbe hatte einen schwerwiegenden Nachteil: Das Pergament wurde spröde und brüchig.

 

Das Stundenbuch der Sforza

Eine Prachthandschrift der Renaissance

 

 

Das Stundenbuch ist eine kunsthistorische Rarität, weil es ein Hauptwerk zweier Buchmaler ist, die in zwei verschiedenen Ländern wirkten und einander wohl nie begegnet sind.

Eine Geschichte wie ein Krimi

Nur aufgrund von Wappen und Inschriften im Stundenbuch konnte die ursprüngliche Besitzerin der Handschrift festgestellt werden: es handelt sich um Bona Sforza, die Gemahlin Galeazzo Maria Sforzas, der von 1466 bis 1476 Herzog von Mailand war. Einen ersten schriftlichen Beleg für die Handschrift findet sich in einem Brief, den der Mailänder Buchmaler Giovan Pietro Birago an einen unbekannten Adeligen richtete und in dem er schreibt, ihm seien von einem Bettelmönch Teile eines unvollendeten Stundenbuchs gestohlen worden. Diese gestohlenen Blätter, ungefähr ein Drittel der gesamten Handschrift, sind nie mehr aufgetaucht. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ging die noch immer unfertige Handschrift auf Erbwegen an Margarethe von Österreich, die für ihren minderjährigen Neffen, den späteren Kaiser Karl V., die Regierungsgeschäfte führte. Erst um 1520 wurden die fehlenden Seiten illuminiert, und zwar von keinem Geringeren als vom Hofmaler Gerard Horenbout. Die weitere Geschichte bis zum Jahr 1871 liegt im dunkeln. Zu dieser Zeit verkaufte ein unbekannter spanischer Grande durch einen Vermittler das Werk dem englischen Konservator Sir John Charles Robinson, von dem es wiederum der englische Sammler John Malcolm von Poltalloch erwarb. Dieser zerlegte die bis dahin einbändige Handschrift und ließ sie in vier Teile binden. 1893 schließlich schenkte Malcolm die Handschrift dem British…

 

 

Les Très Belles Heures de Notre-Dame

Glanzvolle Bilderhandschrift des Herzogs von Berry

 

 

Einzigartige Stellung in der Kunstgeschichte

Nach langwierigen wissenschaftlichen Untersuchungen durch den Verfasser des Kommentarbandes konnte eine bisher unbekannte, erstaunliche Tatsache festgestellt werden: Offensichtlich waren alle an der Handschrift beteiligten Maler eigentlich Tafelmaler. Jede einzelne Miniatur ist ein Kunstwerk für sich, eine Facette der reichhaltigen Fülle der Buchmalerei, die sich nicht auf die Traditionen der Metropole Paris beschränkte, sondern auch Maler aus Flandern miteinbezog. Diese Zusammenarbeit verschiedener Meister macht die Handschrift besonders reizvoll. Beteiligt waren der Meister des Paraments mit seiner monumentalen Kunst, der "Heilig-Geist"-Meister mit seinen heftig bewegten Bildern und schließlich der Meister Johannes des Täufers mit seinen weichen Farbtönen. Dazu kommt noch die herausragende Kunst der Brüder Limburg, denen zwei Miniaturseiten zugeschrieben werden. Die Künstler waren frei von vorgegebenen Gestaltungsprinzipien mittelalterlicher Buchmalerwerkstätten und verfuhren weitgehend nach eigenen Vorstellungen. Aber dieses außerordentliche Werk der Pariser Buchmalerei um 1400 ist noch mehr: Es erwies sich als das wichtigste Zeugnis der weitgehend verlorengegangenen französischen Tafelmalerei dieser Epoche.

 

Les Très Riches Heures du Duc de Berry

Die Königin der Handschriften

 

               

 

Geheimnisvolle Geschichte

Die Très Riches Heures wurden vom größten Bibliophilen seiner Zeit, dem Duc de Berry, um 1410 in Auftrag gegeben. Durch den Tod des Auftraggebers 1416 kam die Arbeit jedoch zum Erliegen. Die noch unfertige und ungebundene Handschrift gelangte auf Erbschaftswegen in den Besitz des Hauses Savoyen zu Herzog Karl I., der das Prachtwerk vollenden ließ. Danach verliert sich seine Spur. Die Handschrift taucht erst wieder Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz eines italienischen Barons auf, von dem sie der Herzog von Aumale erwarb. Nach dem Sturz Napoleons III. gelangte die Handschrift nach Frankreich, wo sie heute noch im Schloß Chantilly, im Besitz des Institut de France, aufbewahrt wird.

Die Künstler ­ herausragende Meister ihrer Zeit

Der Herzog von Berry beauftragte die Brüder Limburg, die seit 1404 im Dienst des Bibliophilen standen, die Handschrift auszuführen. Die Kunst der Brüder Paul, Hermann und Jean Limburg hatte ihr unverwechselbares, eigenes Gepräge, das sich jeder Nachahmung entzog. Ihr Werk war und blieb auch fortan ein Höhepunkt der abendländischen Malerei. Der plötzliche Tod der drei Brüder im Jahr 1416 hat jedoch die Fertigstellung der Handschrift verhindert. Nach längerer Unterbrechung setzte um 1485 Jean Colombe im Auftrag des Savoyer Herzogs die Arbeit fort. Er muß wohl vom Stil der Brüder Limburg beeindruckt gewesen sein, ahmte ihn aber nicht einfach nach, sondern entwickelte ihn den Vorstellungen seiner eigenen Zeit entsprechend weiter. Besonders die Kalenderblätter bergen noch Geheimnisse: So nimmt die kunsthistorische Forschung auch einen "Zwischenmaler" an, der um 1440 einige Kalenderbilder fertiggestellt haben könnte; das ist aber umstritten.

 

Das Turin-Mailänder Stundenbuch

mit Miniaturen von Jan van Eyck

 

 

Monument europäischer Kunstgeschichte

 

Das Turin-Mailänder Stundenbuch wurde über eine Zeitspanne von mehr als einem halben Jahrhundert für eine Reihe von Auftraggebern in zwei der führenden Kunstlandschaften diesseits der Alpen produziert ­ es ist somit eine wahre Schatzkammer von Malstilen.

 

Marco Polo

Das Buch der Wunder

 

 

Das bewegte Schicksal einer Handschrift

Seit ihrer Entstehung hat die unter dem Namen "Buch der Wunder" bekannte Handschrift eine ereignisreiche Geschichte hinter sich. Ursprünglicher Besitzer der Handschrift war vermutlich Johann Ohnefurcht, Herzog von Burgund. Sicher ist nur, daß sie in den Inventaren des Herzogs von Berry auftaucht, die das Prachtwerk als Geschenk des Burgunderherzogs verzeichnen. Auch viele persönliche Symbole und Hinweise deuten auf Johann als Auftraggeber hin. Nach dem Tod des Herzogs von Berry ging das Werk an die Familie Armagnac über. Genaueres ist aber bis heute nicht bekannt. Danach verschwindet der Codex im Dunkel der Geschichte, woraus er erst in der Bibliothek König Franz' I. Anfang des 16. Jahrhunderts auftaucht. Ende des 17. Jahrhunderts erhielt die Handschrift ihren heutigen Einband, geschmückt mit dem königlichen Wappen.

 

Aratea

Eine Sternstunde der Buchmalerei

 

 

Ein Leitstern des abendländischen Weltbildes

 

Unter den astronomischen Handschriften aus dem Umfeld der karolingischen Renaissance ist die Aratea aus der Leidener Bibliothek die berühmteste.

Im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts, zur Zeit Ludwigs des Frommen (814­840), wurde ein uns unbekannter Künstler damit beauftragt, nach einem spätantiken Vorbild eine neue Bilderhandschrift zu gestalten. Als Text dienten dem Schreiber Auszüge aus den "Phainomena". Dem hohen Anspruch der Handschrift gemäß wurden die Rückseiten der Bilder unbeschrieben gelassen. Die fein ausgewogene Schrift, die sogenannte "Capitalis Rustica", ist auch für den heutigen Betrachter ausgesprochen gut lesbar.

Da sie aber im 13. Jahrhundert kaum gelesen werden konnte, hat zu dieser Zeit ein Schreiber den Text nochmals in gotischer Schrift kopiert ­ ein Beweis für die dauerhafte Beliebtheit, die die Aratea Jahrhunderte hindurch genossen hat.

 

Erfüllung uralter Wünsche

So alt wie die Menschheit, so alt ist das Rätsel um die Geheimnisse des nächtlichen Sternenhimmels. Die abendländische Kultur verdankt ihre Vorstellung eines geordneten Himmels den Griechen, die ihrerseits die Sternbilder in ihrem Kreislauf nach orientalischen Vorbildern benannten. Die Griechen erkannten ihre Mythologien in den Sternen wieder, die schon der Dichtervater der abendländischen Kultur, Homer, besang. Der griechische Dichter Aratos von Soloi (um 310 bis 245 v. Chr.) schuf dann die berühmten "Phainomena", ein Lehrgedicht über Himmelserscheinungen und Wetterzeichen. Dieses Werk bezeichnete Kallimachos als das köstlichste Epos der Welt. Die Römer übernahmen das Werk in ihren Kulturkreis. Es wurde von Claudius Caesar Germanicus ins Lateinische übersetzt. Von dort aus fand es Verbreitung bis ins christliche Mittelalter der Zeit Karls des Großen und war bis zur Ausbreitung der arabischen Astronomie grundlegend für das abendländische Weltbild des nächtlichen Himmels.

Eine kaiserliche Auftraggeberin?

Gemäß kunsthistorischen und paläographischen Forschungen hat die prachtvolle Handschrift ihren Ursprung im späteren Lothringen. Im frühen Mittelalter waren noch die Erhaltung der Wissenschaften und des klassischen Erbes der Antike die Hauptaufgaben der gelehrten Welt. Die mutmaßliche Auftraggeberin war Kaiserin Judith, die zweite Frau Kaiser Ludwigs des Frommen, eine große Förderin der Künste und Wissenschaften. Bekannt ist sie vor allem durch ihren Kampf für die Rechte ihres Sohnes, Karls des Kahlen. Später befand sich die Handschrift vermutlich in der nordfranzösischen Abtei Saint-Bertin. Im 16. Jahrhundert kam die Handschrift in den Besitz des Genter Patriziers und Humanisten Jakob Susius, bevor sie von Hugo Grotius wiederentdeckt wurde.

 

De Sphaera

Szenen aus dem Alltagsleben der Frührenaissance

 

 

Wissenschaftliches Weltbild der Renaissance

 

Das "De Sphaera" betitelte Werk gilt heute als das schönste illustrierte Astrologiebuch der Renaissance ein wundervolles Kunstwerk und zugleich ein äußerst wichtiges Kulturdokument, entstanden in der Zeit um 1470. Ursprünglich hatte die Schrift keinen Titel, auch gibt sie keinerlei Hinweis auf einen Autor oder einen Schreiber. Daher bezeichnet man diese Buchrarität heute als "De Sphaera der Este".

In unvergleichlicher Weise gewährt der berühmte Buchmaler Christoforo de Predis in seinem Meisterwerk Einblick in verschiedene Bereiche des Renaissancealltags. Diese Szenen sind dem Hauptthema des Werkes, den Planeten, zugeordnet. Zudem ist der damalige astronomische Wissensstand in Form von Vorläufern unserer Sternkarten zu sehen.

 

Die Bamberger Apokalypse

Eine Prachthandschrift zweier Kaiser

 

 

Die Faszination der Apokalypse

Vor annähernd 1000 Jahren, als apokalyptische Visionen in Europa weit verbreitet waren und ihre Auslegungen viel Beachtung fanden, ließ das ottonische Herrscherhaus in einem der besten Skriptorien des Reiches, auf der Reichenau, eine Prachthandschrift nach dem Text der Offenbarung des Johannes anfertigen.

Reichenauer Buchmalerei in höchster Vollendung

Die Bamberger Apokalypse zählt zu den großartigsten Bilderhandschriften des Mittelalters und ist gleichzeitig der einzige Apokalypse-Bilderzyklus, den die ottonische Buchmalerei hervorgebracht hat. Im künstlerisch führenden Skriptorium des Reiches wurde die Handschrift mit kaiserlicher Pracht ausgestattet: 57 Miniaturen auf Goldgrund und über 100 goldene Initialen schmücken 106 Blätter.

Rätsel um die Auftraggeber

Während man den Entstehungszeitraum der Handschrift recht genau auf die Jahre zwischen 1000 und spätestens 1020 eingrenzen kann, herrscht in der Forschung bis heute Unklarheit über die Auftraggeberschaft. Die Vermutung liegt nahe, daß die Bamberger Apokalypse noch von Otto III. (†1002) in Auftrag gegeben wurde.Nach dem unerwartet frühen Tod des Kaisers mit nur 21 Jahren verblieb der Codex zunächst unvollendet im Reichenauer Skriptorium, ehe dessen Nachfolger Heinrich II. die Handschrift vollenden ließ.

Ein kaiserliches Weihegeschenk

Gesichert ist jedenfalls, daß Heinrich II. die Handschrift 1020 anläßlich der Weihe des Kollegiatstifts St. Stephan in Bamberg stiftete. Die ältere Literatur überliefert die folgende Inschrift auf dem ursprünglichen, heute nicht mehr erhaltenen Einband: HENRIC ET KUNIGUNT HAEC TIBI MUNERA PROMUNT (»Heinrich und Kunigunde vermachen Dir diese Geschenke«). Damit wird die Schenkung der Bamberger Apokalypse durch Kaiser Heinrich II. und seine Gattin Kunigunde eindeutig belegt.Das Bistum Bamberg wurde 1007 von Heinrich II. gestiftet und erblühte dank kaiserlicher Unterstützung zu einem wichtigen politischen, künstlerischen und religiösen Zentrum des Reiches.

 

 

Die Goldene Bilderbibel "Biblia Pauperum"

Ein Meisterwerk von außergewöhnlichem Format

 

 

Wundersame Geschichte

Der Verbleib der Handschrift in den ersten dreieinhalb Jahrhunderten nach ihrer Entstehung ist heute noch rätselhaft. Nur ein einziger Eintrag, vermutlich aus dem 16. Jahrhundert, bietet einen Anhaltspunkt. Dieser lautet: alexander Ratclyff boke. Diese Familie ist in Lancastershire, England, seit dem Spätmittelalter nachweisbar. Im 18. Jahrhundert schließlich schenkte ein Nachkomme der Ratclyffes die Handschrift dem englischen König Georg III.

Der heutige Einband des Codex, rotes Maroquin mit Goldprägung und einem Vorsatz aus roter Moiréseide, stammt aus demselben Jahrhundert. 1823 wurde die Bibliothek Georgs III. von seinem Sohn dem Staat geschenkt und dem British Museum zugesprochen.

Einzigartiges Format

Eine Biblia Pauperum hatte hauptsächlich die Aufgabe, den inneren Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament in Bild und Wort überzeugend herzustellen, dies vor allem im Hinblick auf die Widerlegung des häretischen Gedankenguts der Katharer und anderer ketzerischer Bewegungen des ausgehenden Mittelalters.

Die Handschrift hatte früher einmal ein anderes Format: Die heute langgezogenen Seiten waren zweifach gefaltet, so daß die Handschrift wie ein normaler Codex aussah; erst wenn der Benutzer das Buch aufschlug und ein Blatt entfaltete, präsentierte sich ihm die betreffende Bildergruppe so wie heute.

Eine Gold-Handschrift als Armenbibel?

Es erscheint paradox, eine solch prachtvolle, reich mit Gold ausgestattete Handschrift als "Armenbibel" zu bezeichnen. Denn selbstverständlich wurde dieses Meisterwerk keineswegs für das gemeine Volk früherer Jahrhunderte geschaffen, das meist nicht lesen konnte. Zwar hatte die Kirche schon früh den Wert religiöser Bilder mit dem Argument erkannt, Bilder seien die "Bücher der Laien".

Im Mittelalter waren allerdings die großen Bilderzyklen, noch dazu in so vollendeter Ausführung wie unser Exemplar, nie als Armenbibeln" bezeichnet worden. Dieser Begriff ging vielmehr auf einen Zufall zu Beginn der Erforschung dieser Gattung der Bilderhandschriften zurück.

 

Das Book of Kells

Einer der geheimnisvollsten Kunstschätze

 

 

 

Mystisches Zeugnis frühen irischen Christentums

 

Irische Mönche waren es, die nach der stürmischen Völkerwanderungszeit den christlichen Glauben durch ihre aufopfernde Missionierung während des 5. bis 7. Jahrhunderts in Europa verbreiteten. Die uralte irisch-keltische Kultur vermischte sich mit den von den Mönchen von ihren weiten und gefährlichen Reisen mitgebrachten Eindrücken. In dieser Zeit, die man oft "die Zeit der Heiligen und Gelehrten" nennt, bildeten irische Klöster einflußreiche kulturelle und geistige Zentren Europas. Auf dem Höhepunkt irischer Mönchskultur entstand ihr kostbarstes Werk ­ das Book of Kells.

 

Ein Meisterwerk ­ vor 1200 Jahren geschaffen

 

Das Book of Kells wurde vermutlich im Kloster Iona um das Jahr 800 von unbekannten, genialen Künstlern geschaffen. Ein erster Hinweis auf seine Existenz findet sich in einem Bericht von 1007 über einen Diebstahl in der Kirche von Kells, in dem das Buch "Das große Evangeliar des Columcille, die Hauptreliquie der westlichen Welt" genannt wird.

Bald darauf wurde das in Kells vergrabene Buch aufgefunden. Es blieb in Kells, bis man es während der Regierungszeit Cromwells aus Sicherheitsgründen nach Dublin brachte. Um 1661 übergab es Henry Jones, Bischof von Meath, dem Trinity College. Seither wird es in der Bibliothek des College in Dublin gehütet.

 

Die Kreuzritterbibel

Die Bilderbibel Ludwigs des Heiligen

 

 

Ludwig IX. von Frankreich ­ der Auftraggeber

Auch die neueste Forschung weiß nur wenig über die zu ihrer Zeit höchst außergewöhnliche Bibliothek des großen Königs. Die Kreuzritterbibel ist unter den vielen Codices, die Ludwig in Auftrag gegeben und besessen hat, zweifellos ein Höhepunkt. Darin sind jene Kreuzzugsideen, die Ludwigs Herrschaft und seine Politik prägten, in höchster künstlerischer Vollendung ausgedrückt. Die biblischen Kämpfe um die Eroberung des Heiligen Landes werden in allen Details der Kostüme, Rüstungen und Waffen für das 13. Jahrhundert aktualisiert, und der Betrachter hat den Eindruck, Frankreichs allerchristlichsten König selbst als Kämpfer und Sieger zu erkennen.

Bewegte Geschichte ­ weltweit

Die Bilderbibel Ludwigs des Heiligen entstand um 1250 in einem Pariser Atelier. Den Genuß des Betrachters sollten keine Texte stören. Erst um 1300 fügte man auf den freien Rändern lateinische Texte hinzu, die das Bildgeschehen kurz zusammenfassen. Das geschah vermutlich in Neapel im Auftrag Karls von Anjou, eines Verwandten Ludwigs. Dann verschwindet der Codex im Dunkel der Geschichte, um erst 300 Jahre später wieder aufzutauchen: im Besitz des Kardinals Bernhard Maciejowski, des Bischofs von Krakau. Dieser gab das Prachtwerk im Jahre 1604 einer Abordnung als Geschenk mit, die der Papst an den persischen Schah Abbas sandte, um über ein gemeinsames Vorgehen gegen die siegreichen Türken zu verhandeln. Der Schah hatte offenbar großes Interesse an den Miniaturen, denn er ließ Bilderläuterungen in persischer Sprache hinzufügen; auch ließ er drei Blätter, die, heute in Paris und Malibu, alle Stürme der Zeit überstanden haben, entfernen. Auf diesen Blättern war nämlich der Aufstand Absaloms gegen seinen Vater geschildert - offensichtlich hielt der Schah solch antikönigliche Lektüre für seine Söhne als ungeeignet. Weiß man doch, daß er diese, aus Angst, sie wären beim Volk zu beliebt, blenden und töten ließ.

Das weitere Schicksal der Handschrift ist nicht genau bekannt. Es muß eine Hand des 17. Jahrhunderts gewesen sein, die den persischen Text ins Hebräische übersetzt hat.

Erst wieder im 19. Jahrhundert sind die weiteren Besitzer bekannt: von einem Griechen namens Joannes Athanasiou ersteigerte Sir Thomas Philipps das Manuskript, von dessen Erben es John Pierpont Morgan 1916 erworben hat. Ebenso spannend wie die weltweite Wanderung der Kreuzritterbibel ist ihre künstlerische Herkunft.

Ein außergewöhnliches Kunstwerk
außergewöhnlicher Künstler

Bereits die frühesten Beschreibungen weisen zu Recht darauf hin, daß die 283 Bilder ähnlich monumental wirken wie Wandmalereien. In den auf miniaturisierte Formen spezialisierten Buchmalerateliers im Paris der Jahre um 1250 gibt es nichts Vergleichbares. Somit liegt der Gedanke nahe, die Künstler nicht unter den Buchmalern, sondern unter jenen großen Meistern zu suchen, die gerade zu jener Zeit die herrlichen Wand- und Glasmalereien der Sainte-Chapelle in Paris ausführten. Sie wurde 1248 geweiht.

 

 

 Das Lorscher Evangeliar

Einer der geheimnisvollsten Kunstschätze

 

               

 

Die Krönung karolingischer Kunst

 

In der berühmten Hofschule Karls des Großen in Aachen entstand als formvollendetes Werk um 810 eine Evangelienhandschrift, also eine Sammlung der vier Evangelien des Neuen Testaments, die wohl auch Karl der Große in Händen gehalten hat, geschaffen von den besten Künstlern ihrer Zeit: das Lorscher Evangeliar.

Als "evangelium pictum cum auro scriptum habens tabulas eburneas" (illustriertes Evangeliar, in Gold geschrieben, mit elfenbeinernen Einbandtafeln) steht es an der Spitze eines vor 860 niedergeschriebenen Bücherverzeichnisses des Königsklosters Lorsch. Es ist ohne Zweifel die kostbarste und am besten behütete Handschrift, die nur zu seltenen Anlässen im Kloster in Gebrauch gewesen sein dürfte ­ und das sieben Jahrhunderte lang.

 

Eine Bilderhandschrift in Gold, Silber und Purpur

 

Dieses monumentale Werk der karolingischen Hofkunst ist eine der seltenen frühmittelalterlichen Handschriften, die ganz mit Goldtinte geschrieben sind ­ von Anfang bis Ende, weit über 400 Seiten. Jede der Seiten des Lorscher Evangeliars weist zudem phantasievolle Rahmen in leuchtenden Farben auf, deren Formenreichtum kaum zu übertreffen ist.

Ganzseitige Prachtillustrationen begeistern durch ihre Monumentalität ­ so die Kanontafeln, die am Anfang eines jeden Evangeliars stehen und dem Leser die Harmonie der Evangelien vor Augen führen, ebenso wie die Evangelistenportraits zu Beginn der jeweiligen Vorworte oder die prachtvollen Incipitseiten, also die Textanfänge der einzelnen Evangelien. 473 monumentale Seiten im Großformat von ca. 37 x 21 cm; makelloses, helles Kalbspergament von erlesener Qualität; Gold und Silber im Überfluß auf jeder Buchseite; zwei Purpurseiten; die prächtigsten Farben; das Höchste an Kunstfertigkeit, was aufzubringen das Hofskriptorium in der Lage war ­ dies alles verdichtet sich im Lorscher Evangeliar.

 

Das Buch von Lindisfarne

Leuchtende Farben keltischer Kunst

 

 

Besterhaltenes Evangeliar seiner Zeit

Trotz seines hohen Alters von beinahe 1300 Jahren befindet sich das Buch von Lindisfarne in einem außerordentlich guten Zustand, es ist sogar weltweit das einzige komplett erhaltene Evangeliar aus dem insularen Raum. Auf 259 Folios im Format 340 x 245mm aus sorgfältig verarbeitetem Kalbspergament enthält es den lateinischen Text der vier Evangelien in der Vulgata des heiligen Hieronymus. Jedes der Evangelien wird durch eine einleitende Erklärung, ein Kapitelverzeichnis und einen liturgischen Festtagskalender eröffnet. Zusätzlich gehen drei Vorreden, angeführt vom Brief des Hieronymus an Papst Damasus, dem eigentlichen Text voraus. Eine Folge prachtvoll gestalteter Kanontafeln, die sich zum ersten Mal über 16 Seiten ausdehnt, eröffnet das Buch.

Die Handschrift und ihre Meister

Dem Mönch Eadfrith, der kurz nach der Heiligsprechung Cuthberts Bischof von Lindisfarne wurde, ist nicht nur die vollständige Abschrift des Evangelientextes in einer besonders schönen insularen Majuskel zu verdanken, sondern zugleich die gesamte künstlerische Ausgestaltung des Evangeliars. Eine Inschrift im Buch von Lindisfarne aus dem 10. Jahrhundert nennt neben Eadfrith noch seinen späteren Nachfolger im Amt Æthelwald als Buchbinder und den Einsiedler Billfrith als Goldschmied für den Einbandschmuck. Damit wissen wir über die Herstellung dieser Handschrift mehr als über die meisten Handschriften des Mittelalters.

Einzigartiger Schmuck: Die Teppichseiten

Fünf außergewöhnliche Teppichseiten präsentieren die ganze Palette insularer Ornamentik in all ihrem atemberaubenden Farben- und Formenreichtum. Kunstvoll in die Gesamtkomposition eingearbeitete Kreuzformen heben sich dank leuchtender Konturen plastisch aus dem dicht gewirkten Flechtwerk ab. Mit den Kreuzteppichseiten zu Beginn jedes Evangeliums und einer weiteren am Anfang des Buches ist eine ebenso reich gestaltete Incipitseite kombiniert. Die großen Initialen erstrecken sich über die ganze Seite. Dabei verschmelzen die bis ins kleinste Detail von fließenden Ornamenten und Mustern ausgefüllten Zierinitialen mit den unmittelbar folgenden Buchstaben zu kunstvollen Monogrammen. Über 200 weitere, farbig ausgefüllte und zum Teil rot umpunktete Anfangsbuchstaben gliedern darüber hinaus den gesamten Text.

Insulare und mediterrane Kunst verschmelzen

In den Kanontafeln und Evangelistenportraits des Buches von Lindisfarne verschmelzen die Einflüsse des mediterranen und keltischen Kulturkreises zu einem einmaligen Meisterwerk insularer Buchkunst. So wird der auf ein Vorbild aus dem Raum um Neapel zurückzuführende Text des Evangeliars in einer dem insularen Kulturbereich eigenen Majuskelschrift wiedergegeben und im hiberno-sächsischen Stil ausgestaltet. Die an süditalienischen Vorlagen orientierten Evangelistenporträts weisen neben mediterranen Einflüssen ebenfalls typisch insulare Züge auf. Am eindrucksvollsten wird die Verquickung dieser zwei Kunstrichtungen jedoch in den mit insularen Ornamenten und Flechtmustern verzierten klassischen Säulenarkaden der Kanontafeln.

Viktorianische Buch- und Goldschmiedekunst

Während der Regierungszeit Heinrichs VIII. wurde die Handschrift ihres Einbandes beraubt, der in seiner glänzenden Pracht an einen Reliquienschrein erinnert haben mag. Um die Handschrift wieder mit einem ihrer würdigen Einband zu schmücken, stiftete Bischof Maltby von Durham 1852 einen kostbaren Prachteinband, dessen Schmuckelemente direkt vom insularen Formenschatz aus der Handschrift inspiriert sind.

 

Die Eidgenössische Chronik des Wernher Schodoler

Ein Standardwerk der Schweizer Geschichte

 

 

Im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts war Schodoler als Kanzleigehilfe in Bern tätig, wo er Einblick sowohl in die Politik dieses führenden eidgenössischen Ortes als auch in die berühmten dort aufbewahrten Chroniken gewann. In seine Heimatstadt zurückgekehrt, stieg Schodoler schnell die Karriereleiter empor. Bis zu seinem tragischen Tod an der Pest 1541 hatte er die höchsten Ämter in Bremgarten inne.

Bis heute ist nicht bekannt, was den vielbeschäftigten Stadtschreiber, der überdies an mehreren Kriegszügen teilgenommen hatte, dazu bewog, aus eigener Initiative eine umfangreiche Chronik zu schreiben. Es ist die einzige Chronik, die aus einem Untertanengebiet stammt. Schon deshalb ist sie von gehobener Bedeutung.

 

Rudolf von Ems: Weltchronik
Der Stricker: Karl der Große

 

 

Das Lieblingsbuch des Mittelalters

Das Lieblingsbuch des Mittelalters

Seit Jahrhunderten wird in St. Gallen eine ausgesprochen ritterliche Prachthandschrift des Spätmittelalters aufbewahrt. Dieser Codex bildet in Schrift und Sprache, in Miniaturmalerei und Verserzählung einen Höhepunkt der oberdeutschen Gotik. Die dichterische und malerische Ausgestaltung erzählt Weltgeschichte, wie sie sich den Augen und Ohren einer ritterlichen Gesellschaft in vornehmer Tafelrunde bei einem Becher Wein präsentierte.

Um 1300 ließ ein höfischer Auftraggeber zwei mittelhochdeutsche Dichtungen auf Pergament schreiben und mit belebten Szenen auf Goldgrund illuminieren. Die erste Niederschrift dieser Werke lag damals schon ein halbes Jahrhundert zurück. Es handelt sich um die Weltchronik des Rudolf von Ems und das Leben Karls des Großen, geschildert von einem unbekannten Autor, genannt Der "Stricker".

 

Das Alte Testament als Hauptquelle
der Weltgeschichte

In seinen letzten Lebensjahren schrieb Rudolf von Ems auf Veranlassung des Stauferkönigs Konrad IV. eine Weltchronik in über 33000 paarweise gereimten Versen. Sie behandelt in mittelhochdeutscher Sprache die Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Tode König Salomos.

Die Weltchronik dürfte im ausgehenden Mittelalter zu einer der beliebtesten Dichtungen geworden sein, weil sie es verstand, biblische Geschichte in der Sprache der Zeit zu erzählen. Hier wurde biblisches Heilsgeschehen von der Betrachtung der Vergangenheit in die Bewährung der Gegenwart geführt. Dahin sollten den Leser auch die kostbaren Bilder geleiten: etwa von überschlanken Frauengestalten in wallenden Gewändern, von tapferen Rittern in Rüstung begleitet. Sie führen die Geschichte längst vergangener Jahrhunderte in die Erlebnisnähe des gotischen Hochmittelalters.

So wurde die St. Galler Handschrift über den Bodenseeraum hinaus zum Vorbild späterer Bilderchroniken und in unserer Zeit zu einem wertvollen Zeugnis deutscher Miniaturkunst des Mittelalters.

 

Karl der Große

- Idealbild des christlichen Herrschers -

Das im Spätmittelalter vielgelesene Epos des "Strickers" geht in seinem Ursprung auf das altfranzösische Rolandslied zurück, das vom Regensburger "Pfaffen Konrad" um 1170 erstmals ins Deutsche übertragen worden war. Der "Stricker" erweiterte das alte Heldenlied aus dem Umkreis Karls zur in Versen erzählten Kunde ritterlicher Lebensformen.

Im Mittelpunkt steht die Legende um Karl und seinen treuesten Kampfgefährten Roland, der mit dem Schwert Durandal und dem Horn Olifant gegen die Sarazenen kämpft, aber fällt, nachdem er wahre Wunder an Tapferkeit vollbracht hat. Der durch das Horn zu spät herbeigerufene Kaiser besiegt in der Schlacht die Sarazenen; dieser Kampf wird zum Symbol einer endgültigen Entscheidung zwischen Christen und Heiden.

 

Egbert-Codex
Höhepunkt ottonischer Buchmalerei

 

 

Die Geschlossenheit der Bilderreihe belegt eindeutig, daß es einen Meister gegeben hat, der für die künstlerische Konzeption des Buches verantwortlich war. Die Kunstgeschichte hat ihn als den Gregor-Meister identifiziert, einen Mönch, der für Egbert auch eine Briefsammlung Papst Gregors des Großen ausgemalt hat.

Auffälliges Kennzeichen für die Malkunst des Gregor-Meisters, dessen Hand sicher sieben Miniaturen schuf, ist die Anlehnung an spätantike, byzantinisch beeinflußte Vorbilder. Die Bibliotheken in Trier und auf der Reichenau verwahrten alte Codices, die der Gregor-Meister als Quelle seiner Arbeit verwenden konnte. Seinen künstlerischen Ausdruck schulte der Meister sicherlich an den spätrömischen Mosaiken in Trier oder vielleicht auch auf einer Reise nach Italien. 

Die geheimnisvolle Wirkung funkelnden Goldes

Die eigentümliche Wirkung, die von den geheimnisvoll changierenden Hintergründen im Egbert-Codex ausgeht, liegt nicht nur an den meisterhaften Farbzusammenstellungen. In jeder Miniatur sorgt zusätzlich der Gebrauch fein aufgetragenen Goldes für reizvolle Akzente auf dem in zarten Pastellfarben schimmernden Hintergrund. Eine ganz eigene Anziehungskraft besitzen auch die zahlreichen I-Initialen durch die Kombination von Gold, Silber und Mennige.
Nach mehr als 1000 Jahren ist das aufgetragene Gold und zumeist auch das Silber in hervorragendem Zustand und verbreitet noch heute dieselbe Pracht wie zu Zeiten Bischof Egberts von Trier.

 

Das Graduale von St. Katharinental

Geistliche Gesänge in prachtvollem Gold

 

 

Prachtvolles Zeugnis mittelalterlicher Liturgie

Aufgrund eines handschriftlichen Eintrags auf der Innenseite des Vorderdeckels lassen sich sowohl die Herkunft des Manuskripts aus dem Kloster St. Katharinental in der Nähe von Dießenhofen in der Schweiz als auch die Zeit der Vollendung der Handschrift um 1312 erschließen.

Eindrucksvoller Beweis
geistig-religiöser Haltung

An der großartigen künstlerischen Ausschmückung waren mindestens sechs, wenn nicht gar sieben Hände beteiligt. Es ist jedoch schwierig, eine genaue Händescheidung durchzuführen; sie sind nur in einzelnen Fällen möglich, in anderen bestehen jedoch gewisse Unsicherheiten, die nicht gänzlich ausgeräumt werden konnten.

Aufsehenerregende Rückführung in die Schweiz

Das 1312 entstandene Graduale blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein im Kloster Katharinental in Gebrauch. Auf welchen Wegen die Handschrift in den Jahren um 1820 in den Besitz eines Konstanzer Antiquars gelangte, ist bis heute unbekannt. Dieser machte das Graduale zum Mittelpunkt seines Museums. Er war es vermutlich auch, der die beiden am reichsten mit Miniaturen versehenen Seiten extrahierte. Sie befinden sich heute, in mehrere Teile zerlegt, bei verschiedensten Institutionen und auch in Privatbesitz. Schließlich tauchte die Handschrift Ende des 19. Jahrhunderts in England auf, wo sie bis 1958 verblieb. In diesem Jahr wurde der Nachlaß des bedeutenden Sammlers Sir Charles Dyson Perrins versteigert, worunter sich auch das wertvolle Graduale befand. Diese einmalige Chance der Rückführung nutzten mit vereinten Kräften der Schweizer Bundesrat, die Gottfried-Keller-Stiftung und der Kanton Thurgau durch eine bereitwillige Zusage finanzieller Beteiligung. So konnte das Meisterwerk am 9. Dezember 1958 erworben werden und wird seither wieder in der Schweiz aufbewahrt.

 

 

Das Salzburger Perikopenbuch

Monumentales Zeugnis ottonischer Buchkunst

 

 

Konkurrenz für die Herrscherhandschriften

 

Das Salzburger Perikopenbuch ist ein prachtvolles Beispiel für die ottonische Buchkunst, die an die karolingische Buchmalerei nahtlos anknüpft. Wie auch das Salzburger Perikopenbuch sind alle großen Prachthandschriften aus der Zeit der Ottonen in Klöstern entstanden. Allerdings war das Perikopenbuch nicht die Stiftung eines Kaisers, sondern bildete eine Art Konkurrenz der hohen Geistlichkeit zu den Herrscher-Handschriften. Die äußerst üppig ausgestattete Handschrift kann als Gegenstück zum Perikopenbuch Heinrichs II. gesehen werden, welches ebenfalls zu den bedeutendsten Bilderhandschriften europäischer Buchkunst zählt.

Das Perikopenbuch ist vermutlich um 1020 in Salzburg entstanden, zu einer Zeit, als Heinrich II. Kaiser war. Es war wohl für den Salzburger Erzbischof Hartwig bestimmt und wurde im Dom zur feierlichen Liturgie nur an ausgewählten hohen Feiertagen verwendet. Als Evangelistar faßt es ­ im Gegensatz zu einem Evangeliar ­ nur die im Laufe eines Kirchenjahres verlesenen Textstellen ­ die Perikopen ­ aus den vier Evangelien zusammen; das stellte für den Priester, der die Messe las, eine ungeheure Erleichterung dar.

Eine Prachthandschrift als Beutegut

Die weitere Geschichte der Handschrift liegt bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in geheimnisvollem Dunkel. Sie taucht weder in Bücherverzeichnissen noch in Inventaren auf. Die Forschung ist für diesen Zeitraum auf das angewiesen, was die Handschrift selbst verrät.

Erst nachdem die französische Besatzungsmacht des Jahres 1800 ein Auge auf den Codex geworfen hatte, wurde sie das erste Mal inventarisiert, um nachvollziehen zu können, welche Schätze aus dem umfangreichen Salzburger Domschatz nach Paris verschleppt wurden. Nach der Niederlage Napoleons kam die Handschrift an ihren heutigen Standort: nach München (zu dieser Zeit gehörte Salzburg gerade zu Bayern).

 

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